Interaktion und Integration von Körper & Geist

Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Diese alte Weisheit macht deutlich, dass für die Entwicklung geistiger Fähigkeiten der körperliche Gesundheitszustand eine wesentliche Rolle spielt.

Im Hatha-Yoga werden durch die achtsam ausgeführten Yogastellungen (Asanas), Bewegungsabläufe (Flows), Atemübungen (Pranayamas), Wahrnehmungs- und Imaginationsübungen, Körper und Geist gleichzeitig angesprochen. Hatha-Yoga ermöglicht die Atemqualität zu verbessern, den Körper zu stärken und beweglicher zu machen, um so bis ins fortgeschrittene Alter hinein die Lebensqualität zu erhalten, wenn nicht sogar zu verbessern. Gleichzeitig mit der Optimierung körperlicher Funktionen bewirkt Hatha-Yoga andererseits, dass der Geist sich beruhigt, klärt und sammelt.

Ein wesentlicher Faktor für die Integration von Körper und Geist ist die Kunst des adäquaten Wechsels zwischen dem Einsatz von Willenskräften und der Fähigkeit zum Loslassen. Dazu braucht es einerseits den Körper, dessen Signale wir durch unsere Wahrnehmungsfähigkeit erspüren können und andererseits den Verstand, der uns die Gewissheit vermittelt, was es heisst, sich im Idealzustand zu befinden und somit für unser Wohlbefinden richtig entscheiden zu können. Für den richtigen Umgang mit den Willenskräften und dem Geschehenlassenkönnen braucht es gute Selbstkenntnisse. Bin ich jemand, der überaktiv ist und sich keine bewussten Pausen gönnt oder gehöre ich mehr zu denen, die sich treiben lassen und selten initiativ in das Leben eingreifen? Gute Selbstkenntnisse gehören somit zu den Schlüsselfunktionen, um im richtigen Moment die Willenskräfte einzusetzen und andererseits loslassen zu können, damit wir den Weg Richtung Mitte nicht verlieren.

Für den Körper – Kraft & Beweglichkeit

Die Yogastellungen (Asanas) und Bewegungsabläuge (Flows) wirken direkt auf den Bewegungsapparat, d.h. auf Muskulatur, Bänder, Sehnen und Gelenke ein und begünstigen physiologische Funktionen wie Atmung, Kreislauf und Verdauung, haben aber gleichzeitig auch positive Veränderungen im Nervensystem zur Folge.

Kraft und Beweglichkeit können nur durch gezielte Übungen vergrössert werden. Der Hatha-Yoga, dessen Fokus auf der Herstellung des körperlichen Gleichgewichts liegt, um in der Folge ein energetisches Gleichgewicht sowie eine Beruhigung und Konzentration des Geistes zu erzielen, bietet dazu mit seinen vielfältigen Übungen ein ideales Training.

Die beiden Hemisphären, die zwei Hälften des Gehirns, verarbeiten jede für sich und jede auf ihre eigene Art unterschiedlichste Informationen und kommunizieren gekreuzt mit rechter und linker Körperseite.

In der linken Hemisphäre sind vorwiegend die sprachlichen Fähigkeiten sowie das rationale und analytische Denken angelegt. In der rechten Hemisphäre dominieren hingegen das räumliche Vorstellungsvermögen, die Emotionen, die musikalischen und kreativen Fähigkeiten.

Je ausgewogener die Zusammenarbeit beider Hemisphären ist, desto besser finden wir uns in der inneren und äusseren Welt zurecht.

Im Hatha-Yoga wird die Integration beider Hemisphären durch Yogaübungen, durch bestimmte Atemübungen und durch die dem Hatha-Yoga zugrunde liegende meditative Haltung gefördert. Beispielsweise führen asymmetrische Körperübungen, welche auf beide Seiten ausgeführt werden ebenso wie die Wechselatmung, bei welcher wechselweise links und rechts ein- und ausgeatmet wird, zu einem ganzheitlichen Körpergefühl. Dieses ganzheitliche Körpergefühl lässt auf eine Integration beider Körperseiten schliessen und damit auf eine vermehrte Kommunikation beider Hemisphären. Die in der Regel dominierende linke Hemisphäre wird durch die langsamen und mit Achtsamkeit ausgeführten Bewegungen im Hatha-Yoga zunehmend aufgehoben und es kommt somit zu einer vermehrten Aktivierung der rechten Hemisphäre.

Für den Geist – Denken & Gedanken

Denken & Gedanken

Es gilt zu unterscheiden zwischen Denken und Gedanken. Denken ist geordnete geistige Aktivität, während Gedanken passive Besucher unseres Geistes sind. Denken ist beispielsweise bedeutungsvoll für die tägliche Arbeit, wenn es darum geht, sorgfältig, logisch und vernünftig zu handeln. Gedanken hingegen, ziehen unablässig und ungerichtet durch unsere Innenwelt und wir laufen stets Gefahr, uns von ihnen ablenken oder irritieren zu lassen.
Nebst der Absicht, muskuläre und vegetative Balance herzustellen, geht es im Hatha-Yoga auch darum, den Geist zu beruhigen und ihn zu schärfen. Die Yogis definieren dieses Vorgehen als ein Bemühen, den Geist einspitzig zu machen (Ekagrata). Ein einspitziger Geist, bei welchem die ganze Aufmerksamkeit beispielsweise ausschliesslich auf den Atem, auf eine bestimmte Körperzone oder auf einen einzigen Punkt gerichtet ist, entwickelt eine enorme Kraft. Diese Geisteskraft ist viel grösser, als wenn die Aufmerksamkeit im steten Wechsel auf verschiedene Objekte gerichtet ist.

Inneres Geschwätz & Konzentration

Das «innere Geschwätz» ist die Summe aller inneren Stimmen oder Gedanken, die spontan und unabhängig von unserer körperlichen und geistigen Aktivität in unserer Innenwelt zu vernehmen sind. Man wird sich dieses «inneren Geschwätzes» oft erst dann bewusst, wenn man die geistige Aktivität zu reduzieren versucht, wie etwa in der Einstiegsphase einer Yoga-Stunde. Ebenfalls kann man feststellen, dass der Geist zu Beginn nicht in der Lage ist, sich mehr als wenige Sekunden zu konzentrieren. Konzentration muss also langsam und schrittweise geübt werden.
Im Hatha-Yoga wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf interne körperliche und geistige Prozesse und den Atem gelenkt. Die Absicht, den Geist während der Übungspraxis nach innen zu richten und im Innern zu halten, fördert die Konzentrationsfähigkeit. Erst dadurch, dass der Geist sich auf den Körper und die körperinternen Geschehnisse konzentriert, werden Körperhaltungen zu Asanas. Ebenfalls fördert das Beobachten des Atemgeschehens sehr wirkungsvoll die Konzentrationsfähigkeit. Schweift der Geist umher, so ist der Übende nicht bei sich, nicht bei der Sache und somit auch nicht im Hier und Jetzt. Wenn der Geist schliesslich voll konzentriert ist, kommt das «innere Geschwätz» zur Ruhe.